28.08.2023

Ministerpräsident Dr. Markus Söder zum Gedenktag der Russlanddeutschen

28. August – Der Tag der Russlanddeutschen

Der 28. August ist der Tag der Russlanddeutschen. An diesem Gedenktag wird an die Deportation der deutschen Bevölkerung in der Sowjetunion während des Zweiten Weltkriegs erinnert. Am 28. August 1941 unterzeichnete das Präsidium des Obersten Sowjets der Sowjetunion den Beschluss zur Deportation von Russlanddeutschen aus dem Wolgagebiet. Daraufhin folgten weitere Zwangsumsiedlungen. Rund 900.000 unschuldige Menschen wurden aus der Wolgaregion, aus den östlichen Gebieten der Ukraine, von der Krim, dem Kaukasus und aus weiteren Gebieten nach Sibirien und Kasachstan zwangsumgesiedelt. Soweit sich das heute noch nachvollziehen lässt, kamen bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs rund 150.000 Menschen durch Aussiedlung, Hunger und Zwangsarbeit ums Leben. Erst nach 1955 durften die Zwangsvertriebenen sich wieder in andere Gegenden der Sowjetunion niederlassen – aber nicht dort, wo sie vor dem Krieg gelebt hatten.

Jahrestag der Deportation der Russlanddeutschen: Ein Menetekel deutsch-russischer Geschichte

Zum 82. Mal jährt sich derjenige Tag, der das Leben von Millionen von Menschen unwiderruflich zerstört hat. Am 28. August 1941 legitimierte das höchste gesetzgebende Organ der UdSSR, das Präsidium des Obersten Sowjets, eine geheime Entscheidung der sowjetischen Parteiführung mit Stalin an der Spitze. Danach sollte die Autonome Republik der Wolgadeutschen liquidiert und ihre Einwohner deutscher Herkunft ohne Rücksicht auf Alter, Verdienste oder Parteizugehörigkeit nach Sibirien und Zentralasien deportiert werden. Daraufhin folgten weitere Zwangsaussiedlungen der Deutschen aus ländlichen und städtischen Orten aus dem europäischen Teil der UdSSR. Das Territorium der Wolgadeutschen Republik und andere historische Siedlungsgebiete wurden in die benachbarten russischen und ukrainischen Regionen einverleibt.

Eine Frontmeldung über „verräterische“ Aktivitäten der einheimischen Deutschen, die Gefechtsmeldung des Kriegsrates der Südfront vom 3. August 1941 an das Hauptquartier des Oberkommandos, die die Deportation und Entrechtung der deutschen Sowjetbürger auslösten.

Für die Betroffenen bedeutete dies neben dem Heimatverlust Ausplünderung ihres Besitzes, Zwangsarbeit, Hungersnot, Leid und zehntausendfacher Tod. Dem Kriegsende folgten jahrzehntelanges Leben als Personen minderen Rechts, zahlreiche Schikanen und Diskriminierungen, allgegenwärtige Germanophobie, Auslöschen des nationalen Kulturerbes und Verlust der Muttersprache. 

Dieses Verbrechen des Stalin-Regimes berührt nicht nur die davon direkt Betroffenen. Aus verschiedenen Gründen besitzt es eine gesamtdeutsche Dimension. Zum einen gibt es handfeste Indizien, dass die Erfahrungen mit der Deportation der deutschen Sowjetbürger als Blaupause, als Freibrief für die wesentlich breitangelegte Vertreibung und Aushebung zur Zwangsarbeit der Deutschen aus den östlichen Reichsgebieten und aus osteuropäischen Staaten diente. Diese mit der Billigung der Westalliierten durchgeführte innersowjetische Aktion war ein erster und durchaus wichtiger Schritt auf dem Weg der Zwangsmigrationen und territorialen Verschiebungen nach dem Zweiten Weltkrieg.

Zum anderen fehlt es bis heute an einer gründlichen Auseinandersetzung mit dem Kommunismus bzw. Stalinismus. Die Dimensionen der kommunistischen Massenverbrechen in der Sowjetunion, u. a. an der deutschen Minderheit, werden sowohl in Russland als auch in Deutschland in den Schulen, Medien oder gesellschaftlichen Debatten kaum thematisiert. Nicht von ungefähr bezeichnen viele russische Oppositionspolitiker die fehlende kritische Auseinandersetzung mit der kommunistischen Ideologie, der ausgebliebene Bruch mit stalinistischen Traditionen, Strukturen und Praktiken, die Bagatellisierung der kommunistischen Verbrechen und die versäumte Auseinandersetzung mit den Tätern im Bolschewismus bzw. Stalinismus als das größte Versagen der demokratischen Bewegung der 1990er und späterer Jahre. Dies sei wohl die wichtigste Ursache der fatalen politischen und gesellschaftlichen Entwicklung in Russland, die letztendlich zum Angriffskrieg gegen die Ukraine geführt hat.

Die mangelhafte öffentliche Anerkennung der deutschen Opfer von Stalinismus und die geringe Wertschätzung ihrer eigenständigen Erinnerungskultur, die verweigerte „Täterforschung nach dem GULag“ und der weit verbreitete Unwillen, sowjetische Verbrechen als solche zu bezeichnen, führen in der Bundesrepublik dazu, dass viele Bürger hierzulande für russische Propaganda und Geschichtspolitik, für antidemokratisches und totalitäres Gedankengut anfällig sind. Der nahende Jahrestag der Deportation der Russlanddeutschen mahnt die Politik und Wissenschaft eindringlich, sich am Beispiel dieser Bevölkerungsgruppe mit dem Phänomen „Verbrechen, Opfer und Täter im Stalinismus“ aus unterschiedlichen Perspektiven und intensiver als bisher zu befassen.

(Dr. Viktor Krieger, BKDR)

Gedenkveranstaltung in Odessa (Ukraine)

Dank tatkräftiger Mitwirkung des BKDR-Kooperationspartners „Wiedergeburt“ fand am 28. August 2023 eine Gedenkveranstaltung in Odessa statt. Emotionale Ansprachen, zahlreiche Gäste und ein Blumenkorb mit Trauerschleife gaben der Gedenkveranstaltung einen würdigen Rahmen.

Die Gedenktafel für die „Opfer von Repressionen und Deportationen“ wurde auf Initiative des Bayerischen Kulturzenrtums der Deutschen aus Russland  im September 2021 im Innenhof der zentralgelegenen St. Paul Kirche angebracht. 

Unser aufrichtiger Dank gilt Viktoria Brand (Vorsitzende) und Leonid Wagner (Vorstandsmitglied) von der regionalen Organisation der deutschen Minderheit „Wiedergeburt Odessa“.

Gedenkveranstaltung in Odessa (Ukraine)
Gedenkveranstaltung in Odessa (Ukraine)

Gedenkveranstaltung in Almaty (Kasachstan)

Unter Mitwirkung des Bayerischen Kulturzentrums der Deutschen aus Russland (BKDR) wurde im Rahmen der diesjährigen Gedenkveranstaltung der regionalen Gebietsgliederung „Wiedergeburt Almaty“ unter der Leitung von Ludmila Nabokova eine Kranzniederlegung am Gedenkstein in Almaty vorgenommen. Der Gedenkstein ist „den Deutschen gewidmet, die Krieg, Vertreibung und Not zum Opfer fielen.“

Gedenkveranstaltung in Engels (Russland)

Anlässlich des 82. Jahrestages der Deportation der Deutschen in der Sowjetunion wurde am 28. August 2023 in Engels am Denkmal der russlanddeutschen Opfer der Repressionen in der UdSSR eine Kranzniederlegung vorgenommen, an der das Bayerische Kulturzentrum der Deutschen aus Russland (BKDR) beteiligt war.
Organisiert und durchgeführt wurde die Gedenkveranstaltung in Person von Elena Geydt, Leiterin der NKA der Russlanddeutschen in Marx, die unsere langjährige Partnerin im Herkunftsgebiet ist.
 
 

V. l. n. r.: Rudi Walter, Dorothea Walter, Thomas Pirner, Helmine Buchsbaum, Karl Freller, Georg Reis, Ewald Oster, Natalie Keller, Verena Osgyan, Viktoria Brandt und Viktor Krieger.

Gedenkakt zum Tag der Russlanddeutschen in Nürnberg

Heute fand anlässlich des 82. Jahrestages der Deportation der Deutschen in der Sowjetunion ein Gedenkakt im Bayerischen Kulturzentrum der Deutschen aus Russland (BKDR) in Nürnberg statt, nachdem es der Einrichtung dieses Jahr erneut gelungen ist, sich an Gedenkveranstaltungen mit anschließender Kranzniederlegung in Odessa (Ukraine), Almaty (Kasachstan) und Engels (Russland) zu beteiligen.
Waldemar Eisenbraun, Geschäftsleiter des BKDR, begrüßte die hochrangigen Ehrengäste –unter ihnen Karl Freller (1. Vizepräsident des Bayerischen Landtags, CSU), Verena Osgyan (stellv. Fraktionsvorsitzende im Bayerischen Landtag, Bündnis 90/Die Grünen), Natalie Keller (Geschäftsleitung des Hauses der Heimat und Nürnberger Stadträtin, Bündnis 90/Die Grünen), Helmine Buchsbaum (Nürnberger Stadträtin, CSU), Thomas Pirner (Nürnberger Stadtrat, CSU), Viktoria Brandt (Vorsitzende der Gebietsgliederung „Wiedergeburt Odessa“) sowie Rudi Walter (Kreisvorsitzender der LmDR Ortsgruppe Nürnberg, stellv. Vorsitzender der LmDR Bayern) und Dorothea Walter (Kulturreferentin der Kreis- und Ortsgruppe Nürnberg) als auch Eduard Heinrich (Historischer Forschungsverein der Deutschen aus Osteuropa), Nina Paulsen und Ewald Oster (Vorsitzender des BKDR-Trägervereins).

Karl Freller signalisierte im Rahmen seines Grußwortes dabei die Bedeutung von Gedenkveranstaltungen wie den Tag der Russlanddeutschen am 28. August: „[…] Solche Thematiken müssen stetig aufgearbeitet werden. Ich sehe es ähnlich wie Ewald Oster, dass diese Geschichte, die ein Teil der deutschen Geschichte ist, präsenter in der schulischen Bildung werden muss. Das Kulturzentrum leistet diesbezüglich ebenfalls einen großen Beitrag.“

Dr. Viktor Krieger, wissenschaftlicher Mitarbeiter des BKDR, hielt darüber hinaus einen Fachvortrag zum Thema: „Der Weg in die Katastrophe: Vorgeschichte der Deportation und Entrechtung der Sowjetbürger deutscher Herkunft“, um die Erinnerungskultur rund um das Thema der Deutschen aus den postsowjetischen Staaten aufrechtzuerhalten und gleichzeitig für die Zukunft zu mahnen.

Zusätzlich wurde der kürzlich im BKDR Verlag veröffentlichte Dokumentensammelband von Dr. Alfred Eisfeld und Olga Eisfeld präsentiert.

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