Depression in Schwangerschaft und früher Mutterschaft
Evelyn Kretschmar, Dr. med. Susanne Simen, Dr. med Neslisah Yilmaz-Terzioglu (v.l.) Bildquelle: Giulia Iannicelli, Klinikum Nürnberg

Depression in Schwangerschaft und früher Mutterschaft

Regionales Pilotprojekt „Screening Peripartale Depression“ will betroffene Frauen frühzeitig erreichen

Zehn bis 15 Prozent aller Mütter erkranken in der Schwangerschaft oder nach der Geburt an einer Wochenbettdepression. Einige der betroffenen Frauen werden durch aufmerksame Hebammen, Frauen- sowie Kinder- und Jugendärzte erkannt oder suchen selbständig Hilfe. Aber bei viel zu vielen dieser Frauen wird die Depression nicht oder erst viel zu spät erkannt. Mit dem regionalen Pilotprojekt „Screening Peripartale Depression“ will man genau diese Frauen frühzeitig erreichen.

„Ich bin immer wieder überrascht, wie offen und ehrlich die Frauen den Fragebogen des Screenings ausfüllen und über ihre Probleme sprechen“, berichtet Dr. med Neslisah Yilmaz-Terzioglu. Die Nürnberger Frauenärztin hat sich als einer der ersten Ärzte in der Region dem Pilotprojekt „Screening Peripartale Depression“ angeschlossen und ist beeindruckt, wie hilfreich das Screening bei der Ersteinschätzung ist. „Vielen Frauen sieht man die Depression überhaupt nicht an. Sie lächeln und berichten dann von ihrer Niedergeschlagenheit und erschreckend oft auch von Gewalt“, sagt sie.

Dr. med. Susanne Simen, Oberärztin und Leiterin der Mutter-Kind-Tagesklinik des Klinikums Nürnberg, freut sich über dieses Fazit. Als Psychiaterin mit Schwerpunkt Wochenbettdepression weiß sie, dass Depressionen gut behandelt werden können, wenn sie frühzeitig diagnostiziert werden. Doch viele der betroffenen schwangeren Frauen und Mütter verbergen ihr Leid aus Scham, Angst vor Stigmatisierung und Unwissenheit. „Sie fühlen sich zutiefst als schlechte Mutter. Und viele fürchten auch noch, dass man ihnen das Kind wegnimmt, was ja gar nicht stimmt“, berichtet Simen.

Ein berufsübergreifendes Screening-Programm, in das Hebammen, Frauen- sowie Kinder- und Jugendärzte aus Nürnberg und Umgebung gleichermaßen eingebunden werden sollen, will nun dazu beitragen, betroffene Frauen so früh wie möglich zu erkennen und ihnen Hilfe anzubieten. Initiiert hat das regionale Pilotprojekt der Nürnberger Arbeitskreis Screening Peripartale Depression (SPPD) unter der Federführung der Mutter-Kind-Tagesklinik des Klinikums Nürnberg.

Ziel des Pilotprojektes ist es, ein flächendeckendes, regelmäßiges Screening von Frauen von der Schwangerschaft bis etwa vier Monate nach der Geburt zu etablieren. „Je mehr Hebammen, Frauen- sowie Kinder- und Jugendärzte sich beteiligen, desto mehr betroffenen Frauen können wir helfen“, mit diesen Worten wirbt Simen für das regionale Pilotprojekt, das auch wissenschaftlich begleitet werden und so bundesweit zum Vorbild werden soll.

Dabei sind die Frauen nicht die einzigen, die unter einer Wochenbettdepression leiden, sondern die ganze Familie leidet mit. Vielen Müttern mit Depressionen fällt es schwer, ihre Gefühle für das Kind wahrzunehmen. Dies führt häufig zu Schuld- und Schamgefühlen und damit verbunden zur Vermeidung der Interaktion mit dem Kind.

Auch Dr. Ronny Jung, Kinder- und Jugendarzt in Schwabach, beteiligt sich am Pilotprojekt. „Das Screening ist einfach in den Praxisablauf zu integrieren und ich bekomme schnell einen ersten Eindruck vom Wohlbefinden der Mutter und somit von der Mutter-Kind-Interaktion.“ Positive Rückmeldung gibt es auch von Hebammen. „Für uns Hebammen ist es eine große Erleichterung, wenn psychisch belastete Frauen bereits während der Schwangerschaft erkannt werden, wir können sie dann viel individueller betreuen“, berichtet Franziska Frauendorfer, Leitende Hebamme der Klinik für Geburtshilfe, Klinikum Nürnberg.

Die Frauen selbst reagieren positiv auf die Befragung. „Sie fühlen sich wahrgenommen in ihrer besonderen Situation“, so lautet das gemeinsame Fazit der Beteiligten. Der Screening-Bogen selbst enthält nicht nur 10 Multiple Choice-Fragen zur schnellen Ersteinschätzung, sondern auch die Kontaktdaten der wichtigsten Anlaufstellen in Nürnberg, an die sich die Frauen wenden können. Das Angebot reicht dabei von Beratungsstellen wie pro familia und dem Zentrum Koberger Straße über Selbsthilfegruppen bis hin zur Mutter-Kind-Tagesklinik des Klinikums Nürnberg.

Evelyn Kretschmar, Koordinatorin vom Nürnberger Bündnis gegen Depression, empfiehlt den Frauen, sich schon bei einem Verdacht auf eine Depression Hilfe und Unterstützung zu holen. „Im Gespräch kann man die Probleme ansprechen und mögliche Hilfen erörtern, auch wenn dann doch keine klassische Depression vorliegt.“

*Universitätsklinik der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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