SPRACHE REICHT ALLEIN NICHT FÜR ANERKENNUNG ALS SPÄTAUSSIEDLER
Dienstsitz des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig / Bildquelle: bverwg.de

SPRACHE REICHT ALLEIN NICHT FÜR ANERKENNUNG ALS SPÄTAUSSIEDLER

Für ein Bekenntnis zum deutschen Volkstum reichen allein deutsche Sprachkenntnisse auf dem B1-Niveau des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen (GER) nicht aus, wenn der Betroffene zuvor ein Bekenntnis zu einem nichtdeutschen Volkstum (sog. Gegenbekenntnis) abgegeben hat. Dies entschied der 1. Revisionssenat des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig ohne mündliche Verhandlung am 26. Januar 2021, teilte das Leipziger Gericht mit.

Das Bekenntnis zum deutschen Volkstum durch entsprechende Nationalitätserklärung oder auf andere Weise ist eine der Voraussetzungen für die Anerkennung als Spätaussiedler.

Die Klägerin, eine Staatsangehörige der Russischen Föderation, beantragte im November 2013 die Erteilung eines Aufnahmebescheides als Spätaussiedlerin. Das Bundesverwaltungsamt lehnte den Antrag u.a. mit der Begründung ab, die Klägerin sei mangels Bekenntnisses zum deutschen Volkstum keine deutsche Volkszugehörige, weil sie in ihrem ersten Inlandspass und in den Geburtsurkunden ihrer Kinder die russische Nationalität eingetragen habe. Widerspruch und Klage blieben ohne Erfolg.

Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberverwaltungsgericht die Beklagte zur Erteilung einer Spätaussiedlerbescheinigung (§ 15 Abs. 1 BVFG) an die inzwischen in das Bundesgebiet eingereiste Klägerin verpflichtet. Sie stamme durch ihre Mutter von einer deutschen Volkszugehörigen ab. Zwar habe sie sich bis zum Verlassen des Aussiedlungsgebietes nicht ausdrücklich durch eine Nationalitätenerklärung zum deutschen Volkstum bekannt. Sie habe aber durch den Erwerb ausreichender deutscher Sprachkenntnisse ein Bekenntnis auf andere Weise abgegeben.

Die dagegen gerichtete Revision der Beklagten hat Erfolg. Zwar kann durch den Nachweis von deutschen Sprachkenntnissen auf dem Niveau B1 des GER nach der Neufassung des § 6 Abs. 2 Satz 2 BVFG durch das 10. BVFG-Änderungsgesetz auf andere Weise ein Bekenntnis zum deutschen Volkstum erbracht werden. Der bloße Erwerb solcher Deutschkenntnisse reicht aber nicht, um von einem zuvor ausdrücklich abgelegten Gegenbekenntnis abzurücken. In der Angabe einer anderen als der deutschen Nationalität gegenüber staatlichen Stellen bei der Ausstellung amtlicher Dokumente liegt regelmäßig ein Bekenntnis zu einem nichtdeutschen Volkstum.

Für ein ernsthaftes Abrücken von einem solchen Gegenbekenntnis bedarf es äußerer Tatsachen, die einen inneren Bewusstseinswandel und den Willen erkennen lassen, nur dem deutschen und keinem anderen Volkstum anzugehören. Hierzu hat das Oberverwaltungsgericht keine hinreichenden Feststellungen getroffen, so dass der Rechtsstreit nach Münster zurückverwiesen und nun noch einmal verhandelt werden muss.

 

BVerwG 1 C 5.20 – Urteil vom 26. Januar 2021
Vorinstanzen:
OVG Münster, 11 A 1665/17 – Urteil vom 13. November 2019 –
VG Köln, 10 K 6530/15 – Urteil vom 21. Juni 2017 

Quelle: Pressemitteilung Nr. 5/2021 des Bundesverwaltungsgerichts

 

Veröffentlicht im Magazin RESONANZ (Ausgabe 02/03 | 2021)

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