Kultusstaatssekretärin Anna Stolz besuchte Berufsbildungswerk Hören Sprache Lernen (BBW HSL) in Nürnberg
Kultusstaatssekretärin Anna Stolz (Dritte von links) mit Geflüchteten im BBW HSL. Links im Bild Elke Eder, Zweite von links Gabi Schmidt, Bezirkstagspräsident Armin Kroder Mitte, Manuela Eppe-Sturm (rechts), Christa Naaß (Zweite von rechts). Bildquelle: Bezirk Mittelfranken / Günter Blank

Kultusstaatssekretärin Anna Stolz besuchte Berufsbildungswerk Hören Sprache Lernen (BBW HSL) in Nürnberg

Nürnberg – Ein mittelfränkisches Netzwerk unter Beteiligung von Einrichtungen des Bezirks Mittelfranken betreut derzeit an die 100 vor dem Krieg in der Ukraine geflüchtete Menschen, die nahezu ausnahmslos schwer hörbehindert oder gehörlos sind. Untergebracht sind die überwiegend jungen Familien in dem seit geraumer Zeit leerstehenden Schullandheim der Blindenanstalt Nürnberg in Pommelsbrunn in der Hersbrucker Schweiz, bei Regens Wagner Zell in Absberg und in einem weiteren Haus am Rothsee sowie in Wohngruppen im Berufsbildungswerk Hören Sprache Lernen (BBW HSL) des Bezirks Mittelfranken in der Pommernstraße in Nürnberg, wo am Donnerstag, 24. März Anna Stolz zu Besuch war, die Staatssekretärin im Bayerischen Staatsministerium für Unterricht und Kultus.

Geplanter Info-Besuch wurde zum Willkommensgruß für Geflüchtete

Bei ihrer seit Langem geplanten Stippvisite wollte sich Staatssekretärin Stolz eigentlich ein Bild von den vielfältigen Leistungen des BBW HSL machen, insbesondere der Übergang von der Schule in den Beruf und die digitalen Bildungsangebote standen im Mittelpunkt ihres Interesses und waren auch wie geplant zentrale Themen ihres dreistündigen Aufenthalts. Durch die zwischenzeitlich erfolgte Aufnahme der Geflüchteten erhielt der Termin vor Ort jedoch darüber hinaus eine tagesaktuelle politische Note. Auf Vermittlung des AnkER-Zentrums Zirndorf waren die Menschen aus der Ukraine zunächst in einer Schulturnhalle in Roth untergebracht, ehe sie in ihre derzeitigen Quartiere umzogen.

Die Flüchtlings-Hilfsaktion ins Rollen gebracht hatte Gabi Schmidt, Landtagsabgeordnete und frühere Bezirksrätin. Kaum hatte sie erfahren, dass eine 100-köpfige Gruppe überwiegend gehörgeschädigter beziehungsweise gehörloser Menschen – darunter 25 Kinder – aus Berlin kommend in Mittelfranken eintreffen würde, legte sie los, kontaktierte die BBW-Beauftragte des Bezirkstags Elke Eder und versicherte sich mit deren Hilfe der Unterstützung von Bezirkstagspräsident Armin Kroder sowie der Direktorin der Bezirksverwaltung, Manuela Eppe-Sturm. Und sie brachte es fertig, binnen kurzer Zeit alle Verantwortlichen des Bezirks zu einer Videokonferenz zusammenzutrommeln. Es gelang, das für eine effiziente Hilfeleistung notwendige Netzwerk zu weben beziehungsweise zu aktivieren. Dafür ist Schmidt allen sehr dankbar, zumal die originäre Verantwortung für die Aufnahme der Geflüchteten keineswegs beim Bezirk, sondern bei Regierung von Mittelfranken liegt. Die habe ihren Part auch in diesem Fall erfüllt und die Menschen aus der Ukraine nach deren Ankunft in der Sammelstelle in Zirndorf auf Unterkünfte verteilt, zum Beispiel in Roth und Schwabach, von wo sie wiederum in die genannten und in andere Einrichtungen gebracht wurden. Einige von ihnen reisten auch gleich auf eigene Faust und Kosten weiter, eine siebenköpfige Gruppe wurde zunächst coronabedingt gesondert untergebracht.

Viele brachten ihre Expertise und ihre vorhandenen Strukturen in das Hilfsprojekt ein: der Bezirk mit dem BBW HSL, das vom Inklusionsbeauftragten Lothar Baumüller geleitete Zentrum für Hörgeschädigte samt seiner Paul-Ritter-Schule in Nürnberg, der Sozialdienst für Gehörlose (SDGL) Nürnberg sowie der Leiter des Bildungs- und Umweltreferates Daniel Goltz ebenso wie die evangelische Gehörlosengemeinde Nürnberg um Pfarrerin Cornelia Wolf, zugleich Beauftragte der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche für die Gehörlosenseelsorge in Bayern, der Bezirksverband der Gehörlosen um seinen Vorsitzenden Marcus Willam und nicht zuletzt die Stiftung Regens Wagner. Daneben haben die laut- und gebärdensprachlichen Dolmetscherinnen und Dolmetscher aus der Region mit entsprechenden Kenntnissen derzeit alle Hände voll zu tun.

Gehörlose und Menschen mit Hörschädigung werden denn auch nicht zufällig bevorzugt nach Mittelfranken gebracht, gibt es hier doch viel Erfahrung in der Betreuung von Menschen mit Hörschädigung. „Wir wollen, müssen und können da helfen“, betonte Bezirkstagspräsident Kroder bei der Begrüßung von Staatssekretärin Stolz und weiterer Gäste, darunter seine Stellvertreterin Christa Naaß. Und er gab sich zuversichtlich bezüglich der Erfolge der vielfältigen Bemühungen: „Es ist nicht einfach, aber wir werden es hinbekommen.“ Dass der Bezirk bei all dem, was er tue, immer „noch mehr Geld vom Freistaat bekommen“ möchte, das brauche er an diesem Tag im Grunde nicht besonders zu betonen, ergänzte Armin Kroder.

18 der Ukrainer, überwiegend junge Familien aus dem Raum Lviv, leben seit Mitte März in Wohngruppen des BBW HSL in Nürnberg. „Sie genießen die Freizügigkeit und können hier zu Ruhe kommen“, sagt Direktor Alexander Schmidt und erklärt: „Wir haben die Räume bis Juli zur Verfügung gestellt.“ Weitere 31 Geflüchtete im Alter von sieben Monaten bis 69 Jahren befinden sich derzeit im ansonsten leerstehenden Schullandheim des von der Blindenanstalt Nürnberg betriebenen Bildungszentrums für Blinde und Sehbehinderte in Pommelsbrunn. Sie kommen unter anderem aus Kiew und Charkiw. Betreut werden sie in dem Selbstversorgerhaus unter anderem vom Nürnberger SDGL-Team um dessen Leiterin Bettina Bernd. Die ist dankbar für die Unterstützung vieler ehrenamtlicher Helferinnen und Helfer, ohne die all dies nicht zu leisten wäre. Nicht minder froh ist sie darüber, dass viele ihrer Teilzeit-Beschäftigten derzeit zusätzliche Arbeitsstunden leisten, um diese „Herausforderung für alle“ zu meistern. Auf längere Sicht benötige man aber mehr Personal und Geld, um den „Riesenansturm“ bewältigen zu können.

Die im Schullandheim lebenden Kriegsflüchtlinge sind nach Einschätzung Bernds „fit und finden sich zurecht“. „Die wollen sich einfinden, eingliedern und Deutsch lernen – in Gebärden- oder Lautsprache“. Gefragt werde immer wieder nach Schulen, ein kleiner Junge habe wissen wollen: „Wann darf ich wieder in die Schule?“ Hier kommt möglicherweise die Paul-Ritter-Schule in Nürnberg ins Spiel. Lothar Baumüller kann sich vorstellen dort eine Begrüßungsklasse einzurichten und aus der heraus die Kinder in geeignete Schulen zu vermitteln.

Angebote reichen von Beratung, Testung, Diagnostik über Berufsvorbereitung und Berufsbildung

Kultusstaatssekretärin Anna Stolz in der Schneiderei des BBW HSL. Bildquelle: Bezirk Mittelfranken / Günter Blank

Staatssekretärin Anna Stolz zeigte sich nicht nur beeindruckt vom Engagement des Helfernetzwerks, sondern auch von dem, was sie vor Ort im BBW HSL zu hören und zu sehen bekam. Das BBW HSL eröffnet durch seine Angebote in Nürnberg und der Außenstelle in Ansbach gemeinsam mit seinen Kooperationspartnern in ganz Mittelfranken Perspektiven für Menschen mit den Förderbedarfen Hören, Sprache und Lernen. Individuell und am Menschen orientiert bietet es Leistungen für den Start in ein selbstbestimmtes Leben. Die Angebote reichen von Beratung, Testung, Diagnostik über Berufsvorbereitung und Berufsbildung.

Einblicke in die vielfältigen Leistungen des BBW erhielt Anna Stolz vor Ort unter anderem von Direktor Alexander Schmidt und Ausbildungsleiter Oliver Klaus, der Leiterin der Berufsschule Hören und Sprache Sonja Mirbeth, der Leiterin der Berufsvorbereitung Silvia Rosini und von Fachdienstleiter Jürgen Oberle.

Mirbeth zeigte der Staatssekretärin „ein Klassenzimmer, das in hohem Maße dem entspricht, was wir uns unter einem digitalen Klassenzimmer vorstellen“. Immerhin sei die Schule seit zehn bis 15 Jahren „auf dem Weg in die digitale Welt“.

Wissenswertes zur Intensivwerkstatt vermittelten Martin Rendelmann (Erzieher und Mitarbeiter in der Intensiv-Werkstatt) und Oberle, aber auch der Auszubildende Louai, der nach einem gemeinsamen Handy-Selfie und einem kurzen Gespräch Anna Stolz gleich mal empfahl: „Dann können Sie hier anfangen.“ Die bekundete den Verantwortlichen ihre „Hochachtung vor Ihrer Arbeit, die immer wichtiger wird“. Die Begründung lieferte sie gleich mit: „Das Konzept überzeugt mich total. Wir müssen jedes Kind individuell unterstützen, damit es seinen Platz in der Gesellschaft findet und glücklich wird.“ Diverse über den Vormittag gesammelte Anregungen und Hinweise, wie den von Jürgen Oberle („Wir haben hier eine Top-Abteilung, die aber auch nicht richtig refinanziert ist“) versprach sie mitzunehmen und zu „sehen, was politisch und finanziell machbar ist“. Es folgte ein Rundgang mit Werkstattleiterin Elke Kefer durch den Bereich Textiltechnik, ehe Oliver Klaus den Gast durch eine eigens arrangierte kleine Ausstellung mit Produkten aus den verschiedenen Werkstätten führte.

Vor dem abschließenden Austausch bei einem von den Küchen- und Servicekräften der „Fachpraktiker Restaurant“ unter Anleitung von Irmgard Deml kredenzten Imbiss richtete Armin Kroder einige Worte an die hierzu im Innenhof versammelten Flüchtlingsfamilien. „Sie können sich bei uns gut aufgehoben, sicher und wohl fühlen“, sagte der Bezirkstagspräsident und bot an: „Wenn Sie etwas brauchen, wir helfen gerne.“ Wie das in der Praxis aussehen kann, demonstrierte sogleich Daniel Goltz, indem er der Gruppe eine Kaffeemaschine samt Kaffee überreichte. Die Idee zu diesem Begrüßungsgeschenk hatte die Direktorin der Bezirksverwaltung, Manuela Eppe-Sturm, gehabt, womit die den Gästen aus der Ukraine konkret eine Freude machen könnte, hatte ihr Alexander Schmidt verraten. Nicht nur Anna Stolz war am Ende des Vormittags „sehr begeistert“.

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